Der 11. Platz an der WM -
Versagt?
Wo
liegen die Gründe für diesen 11. Platz? Wer hat was richtig oder falsch
gemacht?
Viel
wurde und wird in den Medien diskutiert über diesen vermeintlichen Misserfolg
und welches die Gründe sind für diese „Enttäuschung“: Der Coach, die Entourage
des Coaches, die NHL-Spieler, die Taktik, Verletzungspech etc.?
Für alle
die sich nicht die Mühe nehmen wollen, die nachfolgend ausführliche Analyse zu
lesen, hier vorab meine kondensierte Meinung:
1. Der 11.
Rang ist nur ein kleiner Misserfolg, Rang 9 oder 10 hätte der Papierform
entsprochen, wir liegen nur knapp daneben.
2. Die
Gründe für dieses Resultat liegen nur im Detail beim Coach, beim
Coaching-Staff, beim Verletzungspech,
bei der Taktik und bei der Spielerauswahl und Eiszeitverteilung. Dies sind
alles Details die ins Reich des „Finetuning“ gehören. Ja, auf höchstem Niveau sind manchmal Details
für den Erfolg oder Misserfolg verantwortlich und darum muss man sich auch
darum kümmern und zwar mit Akribie, keine Frage. Ich glaube aber, dass sich bei
den Details gute und weniger gute Entscheide in etwa die Stange gehalten haben.
Erstaunlicherweise wird bis jetzt aber vor allem und fast ausschliesslich über
diese Details diskutiert.
3. Der
Hauptgrund für dieses schlechte oder ansprechende Resultat, je nach
Sichtweise, liegt aus meiner Sicht in
der Durchschnittsqualität der Spieler und in unserer – von vielen Medien und
teilweise auch Spielern (Bsp. Sbisa) – geschürten falschen Erwartungshaltung.
Nicht die NHL wird in unserem Land überschätzt sondern unsere Liga und unsere
Spieler.
So,
jetzt zu den einzelnen Punkten, resp. Thesen die ich nachfolgend mit Argumenten
und Fakten untermauern möchte.
Haben unsere NHL-Spieler
versagt?
Nein,
das haben sie nicht. Mark Streit hat so ziemlich genau das gezeigt, was er gut
kann (konstruieren, schiessen, Transitiongame). Das was er nicht so gut kann
konnte er auch an dieser WM nicht kaschieren (physisches Spiel ohne Scheibe).
Roman Josi hat mir sogar ausgesprochen gut gefallen. Er ist sehr smart, ein
sehr guter Puckmover, gut in der Scheibenkontrolle und er setzte offensive
Akzente. Sein spektakulärer Fehler (Missverständnis) gegen die Slovakei wird
jetzt in der Gesamtbetrachtung seiner Leistung mancherorts viel zu stark
gewichtet. Luca Sbisa wurde gegen Ende des Turniers immer besser, hat sich aber
am Anfang überschätzt und wollte zu viel. Bei jungen Verteidigern sieht man
dies sehr oft, dass sie zu viel wollen, sich nicht damit begnügen, einfach und
unspektakulär zu spielen. Sbisa hat das Potenzial zu einem physisch dominanten,
unspektakulär effizienten Zweiwegverteidiger. Aber mit dieser für ihn perfekt
passenden Rolle muss er sich offensichtlich zuerst noch anfreunden. Nino
Niederreiter ist erst 19 Jahre alt und hat eine brutale Saison hinter sich. Er
hat stagniert, aber dies ist nicht ungewöhnlich bei der Entwicklung von jungen
Spielern. Sein Charakter und seine Bodenständigkeit stimmen mich optimistisch,
dass er früher oder später aus dieser Baisse rauskommt. Er war ein Dutzendspieler
an dieser WM der mit seiner Wasserverdrängung und manchmal auch mit seiner
Physis positive Akzente gesetzt hat. Es war aber sicher nicht so, dass er
überfordert war oder falls doch, dann war es mindestens die halbe Mannschaft.
Die „Ueberforderung“ hat vor allem mit der falschen Erwartungshaltung zu tun
und dazu jetzt mehr:
Falsche Erwartungshaltung:
Ueberschätzt
wird mancherorts in der Schweiz der Status unserer NHL-Cracks innerhalb der
NHL. Streit wird in unseren Medien als NHL-Superstar präsentiert, was er nicht
ist. Keiner unserer NHL-Cracks ist ein Superstar, keiner ist ein Star. Streit
ist in der NHL ein respektierter Offensivverteidiger, schafft es aber nicht in
die Hitparade der besten Spieler in der NHL und auch nicht in die Hitparade der
besten Verteidiger. Aber: Streit ist
unser bester Spieler und hierfür gebührt ihm unser Respekt und weder er noch
Sbisa, Josi oder Niederreiter verdienen die teils unqualifizierte Kritik die
über sie ausgeschüttet wurde. Dies provoziert höchstens, dass es beim einen
oder andern im nächsten Frühling „im Rücken zwickt“ und somit „leider“ nicht
zur WM kommen kann… Fakt ist: Wenn Streit und Niederreiter gegen Kanada spielen
dann stehen sie Duncan Keith und John Tavares oder Ryan Nugent-Hopkins
gegenüber. Gegen die Slovaken sind das Zdeno Chara und Tomas Kopecky. Bei den
US Amerikanern Jack Johnson und Bobby Ryan. Das
Resultat: Es gibt in aller Regel negative +/- Werte für Streit und
Niederreiter weil Keith, Tavares, „Nuge“, Chara, Kopecky, Johnson und Ryan
besser sind als Streit/Niederreiter und dies nicht weil Streit und Niederreiter
versagt haben sondern weil dies die natürliche Qualitätshierarchie widergibt. Zurück
zu den anderen NHL-Schweizern: Josi und Hiller sind dabei, sich in der
Respekthierarchie einen erfreulichen Platz zu erkämpfen (Hiller als Stargoalie
– noch nicht Superstar - , falls er seine gute Saison wiederholt und im
allfälligen Playoff bestätigen kann), und Josi als Top4-Verteidiger in
Nashville falls er verletzungsfrei bleibt und seine Leistungen aus der zweiten
Saisonhälfte mindestens wiederholt. Sbisa ist ein solider, physischer
Zweiwegverteidiger und sollte sich vorläufig auf exakt diese Rolle besinnen,
dann ist er sehr stark und kann sich in einer Verteidiger Top-6-Position in
einem NHL-Team festbeissen, aber er ist weit davon entfernt, ein NHL-Star oder
gar Superstar zu sein. Sbisa ist mental noch nicht reif für eine Führungsrolle
und noch zu wenig kreativ und zu wenig „skilled“, um als Offensivverteidiger
auftreten zu können. Niederreiter und Bärtschi stehen am Anfang ihrer
NHL-Karriere und haben noch einen langen, steinigen Weg vor sich. Auch hier,
dies sind unsere Top-Shots bei den Jungen (Bärtschi, Niederreiter, Josi, Sbisa)
aber im Weltklassevergleich sind sie halt doch nicht so gut wie die besten
Jungen bei Kanada (Nugent-Hopkins,
Skinner, Eberle, Tavares), Schweden (Landeskog, Karlsson, Brodin),
Finnland (Granlund, Teräväinen), Russland (Kuznetsov, Tarasenko). Es ist falsch,
unsere Vorzeigespieler aus der NHL unqualifiziert zu kritisieren, sie sind das
Beste was wir haben und sie haben definitiv ihr Bestes gegeben. Wir müssen sie
pflegen und hegen aber unsere Erwartungshaltung an sie revidieren. Leider zeigt
sich betreffend Qualitätshierarchie exakt dasselbe Bild bei den besten U20 und
U18-Spielern. Unsere Besten sind nicht so gut wie die Besten der Top-Nationen
und unsere Ergänzungsspieler sind im Durchschnitt nicht so gut wie die
Ergänzungsspieler der Top-Nationen. Dies sind „Facts“ und dies ist der
Hauptgrund für das vorliegende Resultat. Wenn man dies anerkennt – und wir
müssen dies endlich anerkennen! – dann ist das vorliegende Resultat nicht sehr
sondern maximal leicht enttäuschend. Von der Papierform her stehen wir irgendwo
zwischen Rang 9 und 12. Nicht der Coach, nicht die Taktik, nicht die
Spielerauswahl, nicht die Headcoach-Entourage und nicht die vermeintlichen
Versager aus der NHL sind für den 11. Rang hauptverantwortlich sondern das
Gesamtniveau unserer Spieler ist der Hauptgrund für diese Platzierung. Unsere
Spieler haben nicht versagt, sie sind nicht viel besser, falls überhaupt.
Respektlosigkeit, resp.
Unterschätzung unserer direkten Gegner:
Wie
gesagt, in den Vorschauen war es für uns klar, dass wir zu den Top8 gehören
sollten. Dies basiert auf einer Ueberschätzung unserer Qualitäten resp.
Geringschätzung aufrund von Unkenntnis der Qualitäten anderer Nationen. Ich
hörte und las von Pflichtsiegen und dass wir in gewissen Spielen haushohe
Favoriten seien. Stellvertretend auch für andere, hier die nüchterne Analyse
auf dem Papier zweier Nationen die wir gemäss schweizerischer Einschätzung klar
besiegen müssten. Erstes Beispiel Norwegen: Norwegen hat 15 Spieler im Kader
die in Topligen spielen, davon einige mit NHL-Erfahrung oder die kurz vor dem
Sprung in die NHL stehen. Hinzu kommt mit Thoresen einer der Topskorer aus der
KHL. Wenn man dieses Kader mit dem unsrigen vergleicht, dann kommen neutrale
Beobachter zum Schluss, dass die
Norweger leichte Favoriten sind gegen uns. Sie haben auf dem Papier das leicht
bessere Kader. Beispiel Frankreich: Die Franzosen hatten 9-10 Spieler aus
Top-Ligen am Start und einige davon mit NHL-Erfahrung. Zudem könnte es durchaus
sein, dass wir selbst den einen oder anderen Franzosen unterschätzen der in der
französischen Liga spielt. Wenn neutrale Beobachter die beiden Kaderlisten
konsultieren kommen sie zum Schluss, dass die Schweiz nur leichter Favorit ist
gegen Frankreich. In unserem Land orte ich die Tendenz zu gefährlicher
Selbstüberschätzung. Wenn ich die Kaderlisten der anderen „kleinen“ Nationen
anschaue so komme ich mit Ausnahme bei Kasachstan und Italien auf ähnliche
Beurteilungen... und aufgepasst: Selbst Oesterreich ist – wenn sie mit allen
Spielern aus NA antreten könnten – nur unwesentlich schwächer besetzt als wir.
Dies ist die Realität und dieser Wahrheit müssen wir in die Augen schauen.
Irreführendes NHL-„Bashing“:
Aus
verschiedenen Quellen hört und liest man immer wieder und immer lauter, dass
die NHL-Spieler überschätzt werden. „Chilbi-Resultate“ wie z.B. am Spengler-Cup
oder in Showkämpfen gegen NHL-Teams und die vorerwähnte unrealistische
Erwartungshaltung an unsere Schweizer NHL-Spieler dienen hierfür als Beispiele
und Argumente. Dies ist sehr gefährlich. Die einzige Liga die bei uns
überschätzt wird ist die eigene. Uns fehlt die Demut und der Respekt vor der
nordamerikanischen Eishockeykultur. Es gibt auch Stimmen die besagen, dass es
für junge Spieler besser sei, hier zu bleiben und nicht nach Nordamerika zu
gehen weil die Spieler hier besser ausgebildet werden. Dies sagen Vertreter aus
einem Land das bisher kaum Spieler produziert hat die den direkten Sprung von
unserer Junioren- oder Profiliga in die NHL geschafft haben. Alle unsere
NHL-Spieler (Streit, Niederreiter, Gerber, Aebischer, Josi, Niederreiter,
Sbisa, Bärtschi, Weber) haben Zwischenstationen in Nordamerika oder
Skandinavien nehmen müssen, um das grosse Ziel zu erreichen. Nur Goalie Hiller
bestätigt bisher als einzige Ausnahme diese Regel. In der Schweiz wird man bis
jetzt noch nicht zum Weltklassespieler ausgebildet, dies ist eine irritierende
Selbstüberschätzung. Es braucht immer noch eine Zusatzausbildung in einer der
grossen Hockeynationen. Die Ausbildung in Schweden und neuerdings auch Finnland
ist im Durchschnitt besser als bei uns (spiel- und lauftechnische
Grundausbildung) und dasselbe gilt für Nordamerika (schusstechnische Ausbildung
und offensive Spielintelligenz). Selbstverständlich muss man bei dieser Aussage
auch differenzieren. Nicht alle Adressen in Schweden, Finnland und Nordamerika
sind gute Adressen für junge Spieler, man muss sich diese potenziellen Plätze
sehr sorgfältig aussuchen. Wir in der Schweiz sind gut und haben viel erreicht,
dies steht nicht zur Diskussion, aber wir sind offensichtlich noch nicht gut
genug für regelmässige Viertelfinalplätze und schon gar nicht gut genug für
Medaillen. Nicht einmal eine einzige Ausnahme - auf Profi- wie auch auf U20-
oder U18-Stufe - bestätigt bisher diese Medaillen-Regel obwohl es hierzu jedes
Jahr drei Chancen gibt! Die NHL zu verhöhnen ist der falsche Weg. Wir müssen
demütig bleiben, akribisch und von den weltbesten Technikern lernen, keine
grossen Töne spucken und dann... irgendwann... zuschlagen!
Zurück
zur NHL und wieso sie eben nicht überschätzt wird:
Ich
untermaure diese These mit folgenden Facts: Obwohl nur 19% aller Spieler an
dieser WM aus der NHL sind werden die Statistiken mehrheitlich von NHL-Spielern
dominiert (80% der Top10-Skorer sind NHL-Spieler! 60% der Scorerpunkte in den
Viertelfinals wurden von NHL-Spielern gebucht! Wenn man die Face-Off- und die
Plus/Minus-Statistik anschaut kommt man auf ähnliche Werte). Weil Statistiken
aus derart wenigen Spielen wie an einer WM wenig hergeben und in gewissen
Medien masslos überinterpretiert werden, schauen wir auf die subjektive
Beobachtung der Qualitäten der Mehrheit der NHL-Spieler. Dabei müssen wir feststellen,
dass diese in aller Regel stabiler auf den Schlittschuhen stehen, besser
schiessen, härter und genauer passen und für die Scheibenkontrolle und
Schussabgabe Bruchteile von Sekunden weniger Zeit benötigen als der
Durchschnitt unserer Spieler. Es ist erstaunlich, dass diese Beobachtungen in
vielen Analysen kaum thematisiert werden. Irritierend ist auch, dass das
„NHL-Bashing“ mit der Schweiz aus einem Land kommt das rein gar keinen Grund
hat, mit dem Finger auf die NHL zu zeigen. Dies hätten vielleicht am ehesten
die Schweden oder Finnen, bei denen wird die NHL aber als das respektiert und
geschätzt was sie ist: Die beste Liga der Welt mit den grossmehrheitlich besten
Spielern der Welt. Mein diesbezügliches Fazit: Die NHL wird in unserem Land
vielerorts unterschätzt und nicht überschätzt.
Defizite:
Die
diskutierten vermeintlichen Defizite im Coachingstaff, bei der Taktik, der
Spielerauswahl und beim Spielereinsatz sind meiner Meinung nach im „Big
Picture“ unbedeutend und vernachlässigbar. Zudem befinden wir uns diesbezüglich
vor allem auf dem Pfad der persönlichen Subjektivität, können unsere Meinungen
nicht mit Fakten unterlegen und vor allem auch gegenteilige Meinungen nicht mit
Fakten widerlegen. Hand aufs Herz: Hat Sean Simpson klar bessere Spieler zu
Hause gelassen? Nein. War es falsch, unseren besten Spielern mehr Eiszeit zu
geben als den anderen? Nein. War die Taktik die falsche? Vielleicht… das werden
wir nie wissen weil wir den Erfolg mit einer anderen Taktik nicht beweisen
können und ich glaube: Nur mit dieser Taktik und Spielanalage machen wir unsere
Spieler langfristig etwas besser. Nun zu den wahren Defiziten: Schussqualität,
Scheibenkontrolle, stocktechnische Skills, Passtiming- und genauigkeit, teilweise Skating. Alles
Dinge die einen Mangel in der Grundausbildung erahnen lassen. Dieser Mangel ist
allerdings nur im Vergleich mit den besten Teams der Welt erkennbar und somit
Kritik auf hohem Niveau. Aber zu den besten Teams der Welt, dort wollen wir
doch hin, oder nicht? Die Ausrede der körperlichen Unterlegenheit gilt nicht
mehr. Die Finnen und die US-Amerikaner waren im Schnitt kleiner und leichter
als unsere Jungs. Auch Unerfahrenheit kann nicht als Argument verwendet werden.
Unsere Truppe war im Vergleich zu den Kanadiern, Schweden und US-Amerikanern
deutlich erfahrener, resp. älter.
Müdigkeit:
Ich habe
gelesen und gehört, dass unsere Spieler durch das Spielsystem am Ende zu müde
gewesen seien, unser Spielsystem sei zu aufwändig, als dass es turniertauglich
sei. Auch der Coach hat sich über den Spielplan beschwert und dass er dies
getan hat ist meine einzige Kritik am Coach. Es stimmt, dass unsere Spieler
gegen Ende der Spiele und gegen Ende des Turniers müde und fehleranfällig
waren. Dies liegt aber nicht am Spielsystem, nicht am Spielplan (der ist ja für
alle ungefähr gleich) und nicht an mangelnder Fitness sondern ganz einfach in
der – im Weltklassevergleich – mangelnden Klasse. Wir müssen anerkennen, dass
wir gegen die Grossen nur dann mithalten können wenn wir mehr Laufen als der
Gegner und die mangelnde Klasse durch aufwändige Zusatzefforts im Spiel mit und
ohne Scheibe kompensieren können. Dies gelingt am Anfang eines Spiels und eines
Turniers – wenn die Batterien noch voll sind – viel besser als am Schluss und
hat somit seine Logik. Am Anfang eines Turniers sehen wir in der Regel auch am
ehesten Ueberraschungen und gegen Ende gibt es am ehesten die Kanterniederlagen
der Aussenseiter. Exakt darum, weil die Unterlegenen die Kraft nicht mehr
haben, die mangelnde Klasse mit Zusatzefforts zu kompensieren. Unkonzentriertheiten und individuelle Fehler
sind sehr oft eine logische Folge der Müdigkeit und nicht „Aergernisse die man Abstellen
muss“; dies lässt sich schnell und einfach sagen aber leider nicht so einfach
umsetzen.
Chancenauswertung,
Kaltblütigkeit:
Mangelnde
Kaltblütigkeit ist nicht das Problem und wir lassen auch nicht mehr Chancen aus
als andere. Denn vieles was für uns Schweizer Zuschauer bei unseren Spielern als
Chance beurteilt wird – und es bei den Schweden, Kanadiern, US-Amerikanern,
Finnen und Russen auch wäre – ist es bei unseren Spielern nur bedingt. Auch
hier ist die mangelnde Klasse für die mangelnde Torproduktion
hauptverantwortlich. Nur Weltklassespieler können wenn sie aus dem
Gleichgewicht geraten zu einem kernigen Schuss ansetzen und die Scheibe in
Extremis backhand über den Goalieschoner heben. Weltklassespieler schiessen
härter und ansatzloser als unsere Spieler und kontrollieren die Scheibe besser,
benötigen Bruchteile von Sekunden weniger Zeit, um die Scheibe schussgerecht zu
präparieren.
Coaches, Taktik:
Unser
Coachingstaff hat es bis jetzt nicht geschafft, uns Resultate zu schenken die
über dem normalen Leistungsvermögen liegen. Falls man dies vom Coachingstaff
erwartet, dann haben sie die Ziele nicht erreicht. Vielleicht muss man aber –
wie bereits vorgängig erwähnt – die eigene Erwartungshaltung hinterfragen. Für
mich haben die Coaches nicht versagt. Ich schätze sogar die offensive,
attraktive Spielanlage weil ich zu wissen glaube, dass man langfristig nur so
unsere Spieler weiter nach vorne entwickeln kann. Die 1 Mio CHF die uns eine
Entlassung von Sean Simpson kosten würde sollte man besser in die
Nachwuchsförderung investieren und zwar betreffend der Anstellung des einen
oder anderen Weltklasseausbildners und die Ermöglichung der Teilnahme von
hochkarätigen internationalen Juniorenturnieren auch in Nordamerika. Sean
Simpson auszuwechseln bringt nichts weil er erstens ein guter Coach ist und
zweitens diese spektakuläre Massnahme am eigentlichen Grundproblem – dem Fehlen
von Weltklassespielern – vorbeizielen würde.
Stagnation:
Unser
Eishockey ist in den letzten 5 Jahren substanziell nicht wirklich besser
geworden. Wir stagnieren nach wie vor mit ganz aktuell sogar leichter Tendenz
nach hinten. Ja, wir haben heute gegenüber früher einige NHL-Spieler, dies ist
ein kleiner Fortschritt, aber leider nur ein kleiner denn keiner dieser
NHL-Spieler ist ein Star und zudem ist es heute – dank der KHL, die einige
potenzielle NHL-Spieler aufsaugt und somit Türen für NHL-Spieler öffnet die
ohne KHL nicht offen wären – einfacher, in die NHL zu kommen als noch vor der
Zeit der KHL. In der KHL, der zweitbesten Liga der Welt, haben wir im Gegensatz zu den Schweden,
Finnen, Tschechen, Slovaken, Norwegern, Deutschen, keinen einzigen Spieler!
Zusammenfassendes Fazit:
Wenn wir
besser werden und uns stabil in den Top8 etablieren wollen dann führt kein Weg
daran vorbei, unsere Spieler besser zu machen, bessere Spieler auszubilden. Der
mit Abstand wichtigste Grund für den 11. Platz ist die Qualität unserer Spieler
und nicht der gute oder schlechte Coach, nicht der nutzlose oder nützliche Andy
Murray, nicht die Assistenz- oder Videocoaches, nicht die Eiszeit von Müller
oder Meier und nicht die Nomination oder Nichtnomination von Hintz oder Kunz
und schon gar nicht die Taktik die ich persönlich sehr begrüsse. Wir müssen
diese Spielanlage bis hinunter auf alle Juniorenauswahlteams durchsetzen, auch
mit dem Wissen, dass wir dadurch kurzfristig resultatmässig einen Schritt
zurück machen könnten. Dieser Schritt
ist notwendig, um mittelfristig zwei Schritte nach vorne zu kommen und diese
zwei Schritte sind dann der 8. Platz und mitunter mal ein Sieg in einem für
beide Mannschaften wichtigen Spiel gegen eine grosse Nation.
Stallikon,
18. Mai 2012 / Thomas Roost CHHockeyAnalyseMai12.doc