Thursday, May 18, 2017

Fondue meets Meatballs - die Ausgangslage und... die Tre Kronor Jungstars

Die Schweiz hat bisher gut performt an dieser WM. Rational analysiert sind für mich die souveränen Siege gegen Norwegen und Weissrussland sowie vor allem der Punktegewinn gegen Finnland die wertvollsten Resultate. Emotional ist mir der Sieg gegen Kanada am meisten eingefahren, ein grossartiges Ereignis. Die Schweiz steht hochverdient im Viertelfinale und hat jetzt wieder einmal die Chance, resultatmässig über sich hinaus zu wachsen. Hierzu benötigen wir einen Sieg über Schweden. Dies ist zwar realistisch gesehen unwahrscheinlich aber durchaus möglich. Hierzu müssen wir uns vor Augen halten, dass selbst in einer Best of 7-Serie im Playoff die bessere Mannschaft nur in ca. 2/3 der Fälle die Serie gewinnt. Der “Underdog” hat immer eine Chance und gegen Schweden hoffe ich, dass wir das Spiel so lange wie möglich offen gestalten können, so dass beim Favoriten  gegen Ende des Spiels vielleicht die Hände zu zittern beginnen. Dies ist kein unmögliches Szenario weil unser Team einerseits viel Qualität gezeigt hat und sich andererseits die Schweden trotz  chronischer Dominanz schwer tun mit dem Toreschiessen. Sie sind extrem Playmaker-heavy ausgerichtet und es fehlen die klassischen Scorer. Somit ist es wahrscheinlich, dass uns die Schweden zwar dominieren werden, aber das Score vielleicht bis tief ins dritte Drittel sehr knapp sein wird. Ok, dies sind optimistische Betrachtungen. Realistisch beurteilt müssen wir anerkennen, dass die Schweden hervorragend besetzt sind. Vor allem in der Defense sind Weltklassespieler am Werk: Viktor Hedman, einer der allerbesten Verteidiger der Welt, hinzu kommen mit Oliver Ekman-Larsson und John Klingberg zwei High-End Offensivverteidiger. Auch Jungstars finden sich im schwedischen Team. Die Stärken liegen im so genannten Possession-Game, dieses schwedische Team versteht es extrem gut, die Scheibe in den eigenen Reihen zu halten, hierzu hilft auch die Stärke im Face-Off-Circle. Das Duo Bäckström/Nylander scheint sehr gut zu harmonieren und wird höchste Aufmerksamkeit abverlangen.



Zum nächsten Schritt: Unser Team hat bewiesen, dass es auch gegen grosse Gegner mithalten kann, wie gesagt, der Punktgewinn gegen Finnland hat mich am meisten beeindruckt denn dies war – im Gegesatz zu den Kanada- und Tschechien-Spielen – ein Schlüsselspiel für den Gegner, Finnland musste gegen uns punkten und Erfolgserlebnisse in solchen Spielen waren für die Schweiz in den letzten Jahren extrem rar; sprich Siege und/oder Punktgewinne gegen die Grossen in denen es bei den Grossen um viel geht. Eine Chance für den nächsten Schritt präsentiert sich nun im Viertelfinale gegen Schweden. Wenn der Schweiz der Sieg gelingt; dies wäre ein resultatmässiger Meilenstein, ein Sieg bei dem wir einen Grossen nach Hause schicken. Zurück zur Realität: Die Schweden sind klarer Favorit, sie haben die besseren Einzelspieler, gar keine Frage… Mit Lundqvist, Hedman und Bäckström finden sich erfahrene Weltklassespieler im schwedischen Team, aber mit etwas Puck-Luck und der Leichtigkeit des Seins, mit dem positiven Turnier-Momentum ist eine Ueberraschung zwar nicht wahrscheinlich aber doch immerhin möglich.

Auch bei Schweden möchte ich in der Folge Jungstars vorstellen die bei uns teilweise noch nicht so bekannt sind, aber in diesem schwedischen WM-Team bereits eine Schlüsselrolle einnehmen:

Jonas Brodin ist ein mobiler Zweiwegverteidiger mit gutem Spielverständnis und einem guten ersten Pass. Meistens trifft er die richtigen Entscheidungen und dank seines sehr guten Skatings ist er nur schwer in Eins-gegen-Eins-Battles zu bezwingen. Er spielt nicht sehr auffällig, produziert nur wenige Fehler und nutzt einen aktiven “defensiven” Stock im Spiel ohne Scheibe. Brodin bleibt meistens ruhig und gelassen und dies auch unter Druck. Ein smarter Spieler mit hoher Spielintelligenz.
Jonas Brodin


John Klingberg war einer der NHL-Aufsteiger in der Saison 15/16. In dieser Saison hatte er mitunter etwas Schwierigkeiten und zeigte sich zu fehleranfällig. Klingberg ist ein Offensivverteidiger der hohe Risiken nimmt. So wie er tanzt kaum ein anderer Verteidiger an der blauen Linie. Klingberg ist mit der Scheibe extrem geduldig und steuert als Quarterback das Powerplay. Auch seine Schussqualität ist überdurchschnittlich.

Joel Eriksson Ek ist ein kräftiger Zweiwegcenter mit einem sehr guten Schuss. Seine Spielweise erinnert ein wenig an Brandon Saad von den Columbus Blue Jackets. Er verfügt über sehr guten Hockeysense und scheut das physische Spiel nicht. Sein so genannter “Net-Drive” ist ebenfalls positiv auffällig, sein Stil ist nordamerikanisch geprägt. Im Skating sollte er noch etwas an Explosivität zulegen.

Auch Elias Lindholm ist ein sehr smarter Spielmacher der Center aber auch Flügel spielen kann. Seine Spielübersicht und seine Handskills sind überdurchschnittlich. Noch immer wartet er auf den definitiven Durchbruch zum NHL-Star, in der zweiten Saisonhälfte hat er aber angedeutet, zu was er fähig ist… er buchte vom Januar bis zum Saisonende beinahe einen Scorerpunkt pro Spiel. Manchmal ist er zu verspielt und er sollte die Schussoption öfter wählen.

Willie Nylander ist ein klassischer so genannter “Ticket-Seller”, wenn ich ihn spielen sehe ist es immer wahrscheinlich, dass er mich vom Sitz reisst. Er ist das pure Gegenteil eines “Fadiseurs” (Mensch mit dem Charme einer Zentralheizung). Nylander ist spektakulär und dies auf höchstem Niveau. Er kann auf engstem Raum zaubern, seine Handskills sind ähnlich aussergewöhnlich wie diejenigen seines Vaters. Zudem versteht er es ausgezeichnet, seine Absichten zu verstecken, er beherrscht klitzekleine, blitzschnelle Körpertäuschungen die den Gegner ins Leere laufen lassen. Nylander ist kreativ, innovativ, ein exzellenter Spielmacher mit guter Passqualität und guter Spielübersicht. Im Skating besticht er durch seinen seidenweichen Stil und seine Explosivität. Zudem kann er die Gänge blitzschnell wechseln. Sein Skating ist um Welten besser als dasjenige seines Vaters… Mit der Scheibe zeigt er grosse Geduld, mitunter ist er aber etwas zu verspielt und die grundsätzlich positive Geduld übersteigert sich zur Feststellung, dass er die Scheibe manchmal zu lange hält. Auch im Spiel ohne Scheibe und im physischen Teil des Spiels hat er noch Entwicklungspotenzial. Wie an anderer Stelle bereits erwähnt, scheint sich zwischen Nylander und Bäckström eine positive Chemie abzuzeichnen, definitiv ein spektakuläres Duo.


Horgen, 17. Mai 2017 / T. Roost                                          SchwedenWC0517.docx



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