Saturday, April 28, 2012

Wolken am Schweizer Eishockeyhimmel


Wetterprognosen gehören zu den meist beachteten Beiträgen in den Medien und darum wissen wir alle, dass es Schönwetter- und Schlechtwetterwolken gibt. Transferiert man die aktuelle Schweizer Eishockeygrosswetterlage auf herkömmliche Wetterprognostiker so würde das in etwa so tönen:

Die Muotathaler Wetterfrösche:
Es schaut gut aus, wir orten prächtiges Wetter am Schweizer Eishockeyhorizont! Die Oberschenkel unserer Eishockeycracks sind so stramm wie noch nie! Zuschauerrekord in der Liga und in der Finalserie! Weitere ermutigende Muotathaler Beobachtungen:  Schweden wurde  in offiziellen Länderspielen zweimal bezwungen, die U18 hat an der WM gegen Tschechien  gewonnen und die Playoffspiele waren von einer unheimlichen Intensität und taktisch/strategisch schlicht und einfach Weltklasse, Eishockeyschach. Wir waren Zeugen des besten Playoff-Finals aller Zeiten.  In der NHL spielen so viele Schweizer wie noch nie und Sven Bärtschi gilt als grösstes Talent in der gesamten Organisation der Calgary Flames!

SF Meteo:
Aprilwetter ist angesagt. Wir haben von allem etwas und dies in schnell wechselnder Reihenfolge. Zürich - gemäss internationaler Umfrage nach Wien die zweitbeste Stadt der Welt - trifft im Finale auf die Schweizer Hauptstadt, eine bessere Affiche ist undenkbar. Das Finale war Spannung pur, über das spielerische Niveau wollen wir jetzt nicht sprechen und wenn wir nicht über die Landesgrenzen hinausschauen so fällt dies auch kaum auf, so ganz nach dem Motto: Der Tod jeden Glücks ist der Vergleich. Unsere Juniorennationalteams halten sich seit Jahren stabil in der A-Gruppe und in lichten Momenten fordern wir sogar die Top-Nationen. Fairerweise müssen wir konstatieren, dass wir jetzt auf U18-Stufe zweimal hintereinander gegen Deutschland verloren haben. Unsere Jungs drängen nach Nordamerika und neu versuchen sie sich sogar in Schweden. Noch nie hatten wir so viele Söldner im Ausland. Ja, es ist korrekt, die wenigsten davon spielen in ihren Teams eine Hauptrolle, aber ein Anfang ist gemacht. Unser Juniorenprogramm ist stabil, am meisten profitiert die NLB, deren Niveau durch den Einfluss vieler junger Spieler in den letzten Jahren merklich gestiegen ist.  Wo sind die Top-Shots, die absoluten Weltklassespieler? Das ist für eine kleine Nation wie die Schweiz zu viel verlangt, wir müssen zufrieden sein mit dem was wir haben. Sie sehen: Aufhellungen wechseln ab mit Schauern und Gewittern, Wind und Kälte mit sanftem Sonnenschein. Wir sind doch zufrieden, oder nicht?

Die Meteo-Centrale von Jörg Kachelmann meldet:
Unwetterwarnung! Der Zuschauerrekord täuscht, substanziell verlieren wir Zuschauer, die Zahlen beim SCB und dem ZSC, den grössten Zuschauermagneten, zeigen leicht aber kontinuierlich nach unten. Nur neue Stadien halten diesen Trend kurzfristig auf, in Rapperswil ist diese Vitamintablette aber bereits verpufft und in Zug wird es in zwei bis drei Jahren vermutlich nicht anders sein. Alarmierend die Zuschauerzahlen bei den meisten Tessiner-Derbies. Die aktuellen Playoffs werden diese Negativtendenz nur noch verstärken denn nicht Wenige werden sich überlegen, für normale Spiele Eintritt zu bezahlen wenn doch die diesjährigen Playoff vermeintlich zeigen, dass die Regular-Season mehr oder weniger bedeutungslos ist.  Zudem hat die diesjährige Playoff-Finalserie spielerisch enttäuscht. Die U18 ist nun zum zweiten Mal hintereinander um ein Haar abgestiegen und wurde zweimal (2011 und 2012) von den Deutschen vorgeführt, ja gedemütigt. Nach zwei Schweizer Spielen wurde der Schweizer NHL-Scout  von seinem Chef zu anderen Spielen abkommandiert denn es gab bei den Schweizern aus NHL-Sicht schlicht nichts zu sehen. Nein, leider rein gar nichts! In einer professionellen Umfrage bei nordamerikanischen Hockeyexperten wurden in den NHL-Franchises die besten 300 Junioren gesucht und bewertet. Mit Sven Bärtschi ist nur ein einziger Schweizer in diesen Top300! Im Vergleich: Deutschland stellt sechs Spieler, die Slovaken immerhin noch drei und selbst die Dänen zwei. Die Anzeichen stehen auf Sturm und speziell im Kt. Graubünden ist mit Ueberschwemmungen und Verwüstungen zu rechnen. Wenn wir die U16, U15 und U14 analysieren müssen wir feststellen, dass in der einstigen Eishockeyhochburg Graubünden kaum mehr Spieler produziert werden.

Einfache, zufriedene Menschen – die immer wissen was richtig und falsch ist – erfreuen sich am Charisma und der naturalen Urkraft der Muotathaler Wetterschmöcker.  Otto Normalverbraucher des Eishockeys verlassen sich auf die diplomatische, belanglose und ausgewogene Prognose des Thomas Bucheli von SF Meteo.  Die Vorantreiber, die Bessermacher und Medaillenträumer nehmen die mit viel Pathos gewürzte angekündigte Schlechtwetterfrontprognose ernst. Sie müssen sie ernst nehmen! Ein Hagelsturm ist nicht auszuschliessen und dagegen helfen nur Raketen. Haben wir die oder sind wir wenigstens gewillt, solche zu bauen?

Soll sich jeder die Wetterprognose aussuchen die für ihn passt und ihn glücklich macht.

Einen sonnigen Sommer wünsche ich allerseits!


Thomas Roost, Central Scouting Europe, NHL                 Stallikon, 27. April 2012