Sunday, May 17, 2015

Meine dreiteilige WM-Analyse / Teil 3

Meine Analyse ist dreiteilig und wir in folgende Themenblöcke gegliedert:

1. Die Schweiz. Zum ersten und zweiten Teil bitte nach unten scrollen, meine Blogbeiträge erscheinen in umgekehrt chronologischer Reihenfolge.

2. Was ist aus Schweizer Sicht zu tun?

3. Die WM und die internationale Eishockeyhierarchie

Teile meiner WM-Bilanz am TV
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Diese Zeilen werden vor dem Traumfinale CAN vs RUS geschrieben.
Wenn man sich betr. Topspielern auf dieses Traumfinale vorbereiten will dann wird man von Informationen förmlich erschlagen, ein "Overkill" an Infos, derart viele Superspieler geben sich ein "Stelldichein".













Es war qualitativ, vom spielerischen Gehalt her gesehen, die beste WM „ever“. Ich habe grossartige Spiele, sensationelle Tore, atemberaubende Einzelaktionen, Skills, Speed, Dynamik und Spielfreude gesehen. Mein Eishockeyherz freut sich auch ganz besonders, dass zwei Teams im Finale stehen bei denen „pure offense“, Kreativität und Mut zum Risiko im Vordergrund stehen. 

Ein weiteres Beispiel zur Relativierung der immer wieder gehörten These: Offense wins games, defense wins championships. Heute, am 17. Mai 2015, wird ein Champion gekürt der offensiver nicht ausgerichtet sein könnte. Egal ob dies Kanada sein wird mit ihrer megaattraktiven „Harlem-Globetrotters-Showtruppe“ oder Russland mit ihren Schmetterlingen Malkin, Ovechkin, Tarasenko, Panarin etc. Trotz verletzungsbedingter Ausfälle auf der Verteidigerposition hat Russland den letzten Meldeplatz nicht mit einem Verteidiger... sondern mit Ovechkin besetzt. Ein bemerkenswerter Entscheid. Russland und Kanada wollen nicht nur Weltmeister werden sondern sie wollen den Titel mit attraktivem Spiel und spektakulären Spielern holen. Das aus meiner Sicht ultimative Ziel das sich alle immer setzen sollten, egal in welchem Land, egal in welcher Meisterschaft und egal in welcher Liga. Der Gewinn von Meisterschaften mit einer destruktiven Spielanlage ist zwar ein „Mü“ wahrscheinlicher als wenn man mutig und spektakulär spielt aber es führt „im big picture“ in eine Sackgasse. Wir müssen ja Eishockey als „Entertainment“, als Spektakel verkaufen und dabei stehen wir in Konkurrenz mit anderen Angeboten wie Fussball, Tennis, Theater, Konzerte etc. Gewinnen um jeden Preis darf nicht das Ziel sein. Gewinnen mit Spektakel – dies ist die ultimative Krone die angestrebt werden muss! Vor allem Kanada hat dies an dieser WM eindrücklich demonstriert. Selten war ein Team derart viel besser als alle anderen, egal ob sie jetzt das Finalspiel auch noch gewinnen oder nicht.  Danke Kanada für das Spektakel, danke Russland für die wegweisende Selektionspolitik der Spieler. Danke Ovechkin – eindrücklich wie er nach dem aufreibend verlorenen Kampf gegen die New York Rangers sofort ins Flugzeug gestiegen ist, um Russland zu unterstützen. Ovechkin ist ein positiver Wiederholungstäter. Er kommt offensichtlich IMMER wenn Väterchen Russland ruft, egal ob er 50, 70, 90 oder 100 Saisonspiele in den lädierten Knochen hat. Von diesem „Work-Ethic-Approach“ könnten sich einige andere Spieler eine Scheibe abschneiden..., auch bei uns.



In der Detailanalyse hat es sich bestätigt, dass der Niveau-Unterschied zwischen NHL-Mitläufern bis hin zu knapp mittelmässigen NHL-Spielern und den vielleicht 60 oder 70 besten Spielern aus den top europäischen Ligen nicht sehr gross oder sogar gering ist. Dies sehen wir Jahr für Jahr bei diesen Weltmeisterschaften denn in der Regel sind die Top-Nationen nicht so „high-end“ besetzt wie in diesem Jahr Kanada und Russland. Ebenso hat es sich bestätigt, dass der Unterschied zwischen den besten ca. 100 Spielern der Welt – die zu 95% in der NHL tätig sind – und dem Rest sehr erheblich ist. Die Kanada-Truppe war der beste Beweis, wie viel besser NHL-Stars sind als die soliden und ebenfalls gut ausgebildeten Spieler die in der Regel die Nationalmannschaftskader der anderen Nationen bilden. Differenziert ausgedrückt. Der grosse Leistungsunterschied zwischen der NHL und den besten anderen Ligen sind deren ca. 100 besten Spieler – ein grosser Qualitäts-Unterschied, aber auch ein Inszenierungs- und Verpackungsunterschied! Wie ungefähr Hotel Jungfrau Victoria zu IBIS.


Plan to play in the KHL? A holiday- or a culture-trip? Want to learn basics or more of this beautiful and rich language? Then please contact me: Irina Roost-Zakharova, Horgen ZH,  i_zakharova@hotmail.com


Die Erkenntnis, dass gute oder sogar sehr gute NHL-Spieler eine spürbare Qualitätsverbesserung für jedes Nationalteam bedeuten ist mittlerweile bis in jede Ecke der Eishockeywelt gedrungen und zwar unabhängig davon, welcher Nationalität die Nationalteamcoaches angehören. Wenn Ovechkin zu haben ist, dann will ihn Russland, wenn Plekanec kurfzristig abrufbar ist, dann spielt er am nächsten Tag für Tschechien und wenn wir in der Schweiz Streit haben können dann ist das vorläufig ein absoluter „No-Brainer“.

Ein spezieller Abschnitt verdient die USA. Es ist sehr eindrücklich was die USA seit ungefähr 10 Jahren im Eishockey an Qualität produziert. Ihr NDTP-Programm ist wegweisend – sehr schade, dass Pläne für eine Light-Version davon in der Schweiz begraben wurden - und man spürt auch, dass die USA die grosse Sportnation ist mit der grössten Erfahrung im Bereich Talentmanagement, Trainingslehre und Analytik. Heute ist das US-Hockey auf einem Niveau angelangt, bei dem sie sogar eine U23-Truppe an die WM mit berechtigten Medaillenchancen schicken kann. Seit Jahren hat die USA im Juniorenbereich zu Kanada aufgeschlossen und gewinnt regelmässig die U18-WM. Nicht zu vergessen, an der vor wenigen Wochen in Zug/Luzern zu Ende gegangenen U18-WM hat die USA überlegen den Titel geholt und zwar ohne fünf potenzielle NHL-Erstrundendraftpicks die aus verschiedenen Gründen nicht nominiert wurden. Dies führt dazu, dass die USA heute auch bei den Senioren definitiv zu Kanada aufgeschlossen hat. Ihr bestes Spielermaterial ist im Vergleich zu Kanada gleichwertig und im Direktduell gibt es keinen Favoriten mehr. Respekt vor dem US-amerikanischen NDTP-Programm! Respekt vor den vielen heranwachsenden jungen US-Weltklassespielern!
Jack Eichel, nicht zu verwechseln mit Prinz Harry ;-)


Zum Schluss meine internationale Hierarchietabelle (Stand Mai 2015) Dies auf einer Skala von 0-100 Qualitätspunkten.

Qualitäts-Skala mit weltweit allen zur Verfügung stehenden Spielern, inkl. NHL:

Kanada: 95 (Tendenz = gleich bleibend)
USA: 94 (Tendenz = noch immer leicht steigend)
Russland: 92 (Tendenz = leicht sinkend)
Schweden 91 (Tendenz = gleich bleibend)
Finnland 86 (Tendenz = leicht steigend)
Tschechien 86 (Tendenz = nach einer Baisse jüngst wieder leicht steigend)
Schweiz  77 (Tendenz = gleich bleibend)
Slovakei 76 (Tendenz = leicht sinkend)
Weissrussland 75 (Tendenz = gleich bleibend)
Lettland 75 (Tendenz = leicht sinkend)
Deutschland 75 (Tendenz = leicht sinkend)
Frankreich 74 (Tendenz = leicht sinkend)
Norwegen 74 (Tendenz = leicht steigend)
Dänemark 74 (Tendenz = leicht steigend)
Slowenien 73 (Tendenz = sinkend)
Oesterreich 72 (Tendenz = gleich bleibend)

Skala der aktuellen WM-Kader in Prag  an der WM 2015:
Kanada: 92
Russland: 89
Schweden 83
Tschechien 83
USA 82
Finnland 81
Schweiz 75
Slovakei 75
Weissrussland 75
Lettland 75
Frankreich 74
Norwegen 72
Dänemark 72
Slowenien 72
Deutschland 71
Oesterreich 71

Auch hier, Kritik, Meinungsäusserungen, Lob, Ergänzungen „are more than welcome“


Ich wünsche allen Lesern spannende Stanley-Cup-Finalspiele und erholsame Sommertage bis es dann wieder heisst: „Hockey is on!“

Saturday, May 16, 2015

Meine dreiteilige WM-Analyse / Teil 2

Meine Analyse ist dreiteilig und wird in folgende Themenblöcke gegliedert:

1. Die Schweiz (ab 15.05.15) Zu diesem Teil, Teil 1, bitte nach unten scrollen
2. Was ist aus Schweizer Sicht zu tun? (ab 16.05.15)
3. Die WM und die internationale Eishockeyhierarchie (ab 17.05.15)


Heute Teil 2: Was ist aus Schweizer Sicht zu tun?

Meine WM-Bilanz im TV

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Was ist aus Schweizer Sicht zu tun?

Wir sind gut und dürfen mit dem zufrieden sein was wir erreicht haben, Verbesserungen sind kaum möglich weil wir ein kleines Land mit beschränktem Spielerpotenzial sind? Sich ausruhen wie ich nach dem vierten Spiel am Auffahrtstag?



Weit gefehlt:
In den Medien wurden vor allem Personalien heftig diskutiert. Die richtigen Spieler? Die richtigen Coaches? Ich verstehe sehr wohl, dass es vor allem populär ist, über Personen zu diskutieren, Fehlleistungen und heroische Ereignisse an Personen festzumachen. Die Medien scheinen zu wissen, dass wir exakt solche Helden- und Versagergeschichten lesen und hören wollen. Es steht mir selbstverständlich nicht an, diese „Marktanalyse“ in Frage zu stellen. Die Medien leben von Leserzahlen und Einschaltquoten und werden sehr wohl wissen, wie sie ihre Kunden „abholen“ müssen. Ich habe auch grosses Verständnis hierfür denn es geht letztlich um das Ueberleben von Firmen, es geht um eine dramatische Veränderung in der Medienlandschaft ganz allgemein, es geht um den verzweifelten Kampf von gut ausgebildeten Journalisten, sich gegen neue Phänomene (wie z.B. Blogschreiber ;-) behaupten zu können, d.h. es geht auch um Arbeitsplätze und um würdige Arbeitsbedingungen.

Der Sache hingegen dienen solche Helden/Idioten-Geschichten kaum. Mein Ziel ist es, an dieser Stelle unaufgeregt und sachlich darzustellen, was es braucht, um unser Eishockey noch besser zu machen.

Bleiben wir ganz kurz bei den Personalien: Ja, ich hätte im Detail auch andere Spieler rekrutiert, ich hätte bei der Nominierung etwas mehr Gewicht auf Skills gelegt und beim Spiel gegen die USA hätte ich ganz leicht Genoni bevorzugt, er wäre bei mir im Tor gestanden. Aber... all diese hypothetischen personellen „Verbesserungen“ sind ziemlich unbedeutend. Erstens weil niemand weiss, ob wir damit tatsächlich besser gespielt hätten und zweitens, falls ja, wäre der Unterschied aus meiner Sicht nur sehr gering gewesen. Zudem hat Berra gegen die USA sehr gut gespielt. Kommen wir zum viel diskutierten Coach. Hanlon hat mit der Viertelfinalqualifikation mehr erreicht als wir in den letzten 8 Jahren im Durchschnitt erreicht haben, nämlich die Viertelfinalqualifikation. Es wäre verfehlt zu sagen, dass Hanlon der bessere Coach ist als es Krüger, Simpson waren, aber dieses Resultat ist ein erstes grosses Indiz für die unpopuläre These: Es spielt keine so grosse Rolle wer an der Bande steht, die Resultate sind immer ungefähr gleich. Unter Krüger und Simpson haben wir gegen Deutschland/Lettland immer in Tor armen Spielen mit einem Tor Differenz gewonnen, Unentschieden gespielt oder verloren. Die Spiele ähneln sich immer, egal wer Headcoach ist. Auch mit Arno DelCurto hätten wir vermutlich kaum mehr oder weniger Punkte als jetzt mit Hanlon. Ich glaube, dass diese These vor allem für Nationalmannschaften eine gewisse Berechtigung hat. Ich bin demnach weit davon entfernt, den Kopf von Hanlon zu fordern. Er hat ein gutes Resultat abgeliefert und auch aus Spielerkreisen höre ich kaum Negatives. Gleichzeitig stelle ich aber in Frage, ob wir einen Fulltime-Nationalcoach benötigen. Ich persönlich würde für diese WM-Turniere jeweils einen Vereinscoach temporär einstellen, so wie dies viele grosse Nationen regelmässig tun. Das eingesparte Geld sollte in die Nachwuchsausbildung investiert werden denn es muss unser ultimatives Ziel sein, künftig noch bessere Spieler auszubilden. Noch bessere Spieler: Dies hat die grösste Hebelwirkung für den Fortschritt. Personalrochaden im aktuellen Spielerkader und/oder an der Bande sind vergleichsweise unbedeutend.

Bei der Ausbildung von jungen Spielern gibt es vor allem technische Aspekte zu beachten, aber auch mentale und kulturell bedingte.

Technisch gesehen müssen wir im läuferischen Bereich weitere Fortschritte erzielen. Powerskating ist angesagt, die Stabilität auf den Schlittschuhen und das Entwickeln von Schubkraft, die Skating-Dynamik muss noch verbessert werden. Speed und Mobilität sind schon sehr gut, aber dies sind nicht die einzigen Aspekte eines guten Skaters im Eishockey. Das grösste Defizit orte ich in der Schussqualität. Diese Schwäche ist offensichtlich und zieht sich durch alle Nationalmannschaftsstufen hindurch. Ebenfalls nicht Weltklasse sind wir im Bereich Hand-Skills, Scheibenkontrolle, Puckmanagement, Körpertäuschungen und „Moves“. Das sich Durchsetzen im „Slot“, dorthin gehen wo es weh tut, „ugly“ Goals erzielen. Dies ist leichter gesagt als getan und auch dies hat sehr viel mit Handskills und Schussqualität zu tun einerseits und Stabilität auf den Schlittschuhen andererseits. Es ist ja nicht so, dass unsere Stürmer Feiglinge sind und dem Schmerz mehr aus dem Weg gehen als Stürmer anderer Nationen – wenn dies so wäre, dann wäre dies unglaublich bedenklich und nie und nimmer akzeptierbar – Tatsache ist, damit man in vorteilhafte Positionen im Slot kommt und „ugly“ Goals provozieren kann benötigt man sehr viel Geschick, Skills und ja, auch Wasserverdrängung und Spannweite, vor allem aber Geschick, Skills und schnelle Hände. Bitter ist die Erkenntnis, dass all diese Aspekte nicht durch das Drücken auf den roten Knopf schnell verbessert werden können. Ein langer steiniger Weg steht unseren Ausbildnern und Kindern bevor. Es wird Jahre dauern bis wir diese Defizite markant reduzieren können. Und in diesen langen Jahren sind monotone Drills angesagt, langweilige Trainings, immer wieder dasselbe und dann noch einmal und noch einmal und schneller und noch einmal. Trotzdem rate ich allen Ausbildnern das Augenmerk vor allem auf diese Aspekte zu legen. Den Kindern und vor allem den Eltern sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass man nur Weltklasse wird wenn man unglaublich viel trainiert und zwar mit vielen sich immer wiederholenden Uebungen, langweilige Uebungen, Drills mit Schmerzen und Tränen. Wenn man dies als Eltern und als Kind akzeptiert und sich dennoch immer aufs Training freut: Dann haben sie ein Indiz dafür, dass das Kind Talent haben könnte.

Im mentalen und im sozialen Bereich fällt mir immer mal wieder auf, wie stark wir den Teamgedanken hochhalten, vermutlich etwas zu stark. Ein Spieler der mit Alleingängen auffällt und meistens versucht, das Tor selbst zu erzielen wird (zu) oft gemassregelt. Alle unsere Spieler werden offensichtlich in Medientrainings stromlinienförmig geschult, so dass jeder immer sagt „das Team ist wichtig, es ist unbedeutend ob ich zwei oder drei Tore erzielt habe“. Immer dieselben Antworten. Gibt es etwas Langweiligeres als eine Pressekonferenz? Wir neigen in unserer CH-Mentalität manchmal zu sehr dazu, Verantwortung abzuschieben. Auf dem Eishockeyfeld schaut das dann so aus, dass man bei einer Torchance nochmals dem Mitspieler zupasst. Wir sind ja ein Team und keine Egoisten.


Unpopuläre Meinung:
Manchmal wünsche ich mir Spieler – wie z.B. Nino Niederreiter bei den Minnesota Wild – der wenn er die Scheibe hat, ultimativ den Torschuss sucht. Ich wünsche mir manchmal auch Spieler die im Interview ehrlich sagen: Ja, wir haben zwar verloren und das ist enttäuschend, aber es ist „geil“, dass ich zwei Tore und einen Assist erzielt habe. Dies hilft mir sicher bei den nächsten Vertragsverhandlungen. Ein klein wenig mehr Egoismus ist vor allem bei Stürmern angesagt. Wir dürfen nicht vergessen, dass Weltklasseperformer – egal in welcher Disziplin – im Persönlichkeitsprofil einen überdurchschnittlich hohen Wert im Bereich Egoismus aufweisen. Ergo: Egoismus nicht nur verteufeln sondern bis zu einem gewissen Grad sogar fördern oder wenigstens akzeptieren, Opportunismus respektieren. Denken wir daran: Wir müssen mehr Tore erzielen!

Ich wiederhole mich: Kommentare, Lob, Kritik, Fragen. Ich liebe das und werde mich bemühen, alle Fragen zu beantworten.

Ich freue mich auf spannende Dialoge!

Thomas Roost / 16. Mai 2015


Friday, May 15, 2015

Meine dreiteilige WM-Analyse 2015 / Teil 1

    Meine Analyse ist dreiteilig und wird in folgende Themenblöcke gegliedert:

1. Die Schweiz (ab 15.05.15)
    2. Was ist aus Schweizer Sicht zu tun? (ab 16.05.15)
    3. Die WM und die internationale Eishockeyhierarchie (ab 17.05.15)

Wer bewegte Bilder "literarischen Ergüssen"  vorzieht, dem sei folgender Link empfohlen:

Meine WM-Bilanz im TV




1. Die Schweiz

Die Ausgangslage:
Die Schweiz hat in den letzten 8 Jahren nur zweimal den Einzug ins Viertelfinale geschafft. Die Schweiz ist aber mittlerweile so gut, dass das Viertelfinale als zwar hohe aber realistische Zielsetzung genannt werden darf/kann/muss denn die diesbezügliche Konkurrenz (Slovakei, Weissrussland, Deutschland, Lettland, Frankreich, Norwegen, Dänemark u.a.) sind in unserer realistischen Reichweite, so dass wir gegen diese Gegner mit einer 60%igen Chance für Punktgewinne rechnen dürfen. Das Resultat: Das aus meiner Sicht keinesfalls anspruchslose Ziel wurde erreicht. Gegen die direkte Konkurrenz haben wir vielleicht einen Punkt weniger geholt als ich geglaubt habe, dafür gab es einen Punkt mehr als erwartet gegen die Grossen. Ja, ich glaube auch, dass uns der Fahrplan geholfen hat und die Punkte gegen Schweden und Tschechien gegen Gegner erreicht wurden, die im Hinblick auf die K.O.-Runde etwas Gas weggenommen haben. Aber dies ist nicht viel mehr als das Finden des Haares in der Suppe.

Vor allem für diejenigen für die nur das Resultat zählt muss die WM aus Schweizer Sicht ein voller Erfolg sein denn die Viertelfinalqualifikation ist  etwas mehr als das was man aufgrund der Resultate aus der Aera Krüger/Simpson erwarten durfte. Aus reiner Resultatsicht ist Hanlon bis jetzt erfolgreicher als seine Vorgänger. Ok, nur zwei Siege, viele Niederlagen, man könnte die Resultate auch kritischer interpretieren, aber dann müssen die rein Resultatgläubigen anerkennen, dass Hanlon ein „Winner“ ist, weil er die richtigen Spiele gewonnen hat ;-).

Verlassen wir die Banalitäten. Ich habe höhere Ansprüche an Analysen. Mein  Anspruch ist es, die wahrscheinlichen und nicht die tatsächlichen Resultate zu analysieren. Im Falle der Schweiz decken sich die wahrscheinlichen Resultate mit den tatsächlichen Resultaten ziemlich gut. Gegen Oesterreich waren gemäss Spielverlauf eher zwei oder drei Punkte wahrscheinlich. Hingegen lief vor allem das Frankreich-Spiel sehr für uns und ich möchte nicht noch einmal gegen Frankreich spielen und dabei 3 Punkte holen müssen. Das 1-0 gegen Deutschland war nicht unverdient wie auch der Punktegewinn gegen Lettland.  Noch einmal je einen Punkt gegen Schweden und Tschechien gewinnen müssen? Eher nicht, eher unwahrscheinlich. Das Problem bei der Einschätzung der realistischen Ausgangslage ist noch immer die Silbermedaille 2013. Dieser Ausrutscher nach oben verblendet noch immer die sachliche, unaufgeregte Beurteilung der Leistungsfähigkeit unserer Spieler im Vergleich zur Konkurrenz. Realistisch ist: Ja, eine erneute Medaille ist immer mal wieder möglich… aber, ein Abstieg ist es auch. Ein allfälliger Abstieg wie auch eine Medaille sind Ausrutscher in Ausnahmefällen. Unser Spielermaterial ist grundsätzlich zu gut, um abzusteigen, aber zu schlecht für eine Medaille. Trotzdem sind beide Szenarien nie auszuschliessen. Ich werde den Eindruck nicht los, dass einzelne Kreise noch immer glauben, dass unser Spielerpotenzial zur Weltspitze aufgeschlossen hat und Siege gegen die Nationen auf den Rängen 7-12 zur absoluten Pflicht verkommen und einzelne Spiele sogar sehr deutlich gewonnen werden müssen. Dies stimmt schlicht und einfach nicht. Unser Spielerpotenzial ist nur sehr unwesentlich besser als dasjenige der Nationen auf den Rängen 7-12, falls überhaupt. 



Kommen wir zur Stärken/Schwächen-Analyse:

Beginnen wir mit dem Positiven: Unsere Nationalmannschaft hat einmal mehr gezeigt, dass sie betreffend Speed und Mobilität mit den Allerbesten mithalten kann. Auf der Torwartposition war auch kein markanter Unterschied zu den Top-Nationen zu erkennen, allerdings auch nicht zu den meisten kleinen Nationen. Mittlerweile sind die meisten ernst zu nehmenden Eishockeyländer so weit, dass sie mindestens einen akzteptablen Torhüter stellen können. Ebenfalls positiv -  und dies ist bereits seit Jahren so – ist zu vermerken, dass unsere Teams in aller Regel zu den „Hard-Working-Teams“ gehören was die Arbeitseinstellung auf dem Eis betrifft. Ebenso nicht verstecken müssen wir uns im Bereich „Spiel ohne Scheibe“. Für diesen Teilbereich hilft es, dass unsere Spieler –wie bereits gesagt – im Durchschnitt mobil, flink und ziemlich schnell sind.

Schwachstellen:
Wir sind offensiv nach wie vor sehr harmlos. Es fehlt an „Handskills“, an der Scheibenkontrolle die zu Ueberraschungsmomenten beim Kreieren von Torchancen helfen, es fehlt an Passqualität und es fehlt vor allem an Schussqualität. Wenn wir diese Defizite beheben dann müssen wir kaum mehr über fehlende Powerplay-Effizienz sprechen. Die genannten Schwächen sind die Wurzel allen Uebels. Es ist auch leichter, direkten Zug auf’s Tor zu kreieren, wenn man seinen Aktionen mit feinen Handskills und/oder kleinen Körpertäuschungen Ueberraschungsmomente voranstellt. Körperlich und betreffend dorthin gehen wo es weh tut können wir auch noch nicht ganz mit den Allerbesten mithalten. Es fehlt zum Teil an Schubkraft aus dem Hüft/Bein-Bereich, an Stabilität auf den Schlittschuhen (auch dies ein wichtiger Teilaspekt des Skatings) und teilweise an Wasserverdrängung und Spannweite bei Spielern die ihren Mann im Slot stellen müssen.
    
Bei der Analyse der einzelnen Spieler will ich nicht lange verweilen denn es ist seit längerer Zeit bekannt, dass Roman Josi unser erster und einziger Weltklassespieler ist. Die Qualitäten eines Damien Brunner und Mark Streit kennen wir auch, es ist müssig, an dieser Stelle näher darauf einzugehen. Nur so viel: Es ist völlig normal – und total unabhängig vom Mann der an der Bande steht – dass während eines WM-Turniers einige Spieler über und andere unter ihrem normalen Niveau „performen“. Das ist in jeder Mannschaft bei jedem Trainer so. Ja, Streit, Brunner, Suri haben eher unter ihrem normalen Niveau gespielt aber ich hüte mich davor, dies zu überinterpretieren. An der nächsten WM ist die Chance nicht gering, dass exakt diese latenten „Versager“ eine sehr gute Leistung abliefern werden. Man kann den Formstand eines Eishockeyspielers kaum planen, zu viele Zufälligkeiten spielen hierfür eine Rolle. Man muss als „verhungernder“ Skorer ganz einfach akzeptieren, dass es im Verlaufe einer Saison Wochen gibt in denen es unerklärlicherweise nicht läuft. Spieler, Fans und Coaches hoffen selbstverständlich immer, dass man von diesen Wochen nicht während einer WM heimgesucht wird...

Zum Schluss, das Wichtigste noch einmal: Die Schweiz hat die Ziele erreicht und die Zielsetzung lag immerhin über dem 8-jährigen Durchschnitt des jeweils Erreichten.

Im nächsten Blogteil werde ich darüber berichten, was aus meiner Sicht getan werden muss, um die Schweiz in der internationalen Eishockeyhierarchie näher an die Weltspitze zu bringen.


Sehr freuen würde ich mich über Kommentare, Fragen etc. Ich werde mir in den meisten Fällen die Mühe nehmen, diese zu beantworten.