Die U18-WM war aus drei Gründen ein voller Erfolg:
Erstens: Der
wichtigste Grund: Das überraschend gute Resultat der Schweizer half mit, unsere
Sportart trotz fehlender TV-Uebertragung medial bestens darzustellen und zu
verkaufen. Der durchschnittliche Sportkonsument ist sehr resultatgläubig, darum
haben positive Resultate immer die grösste Hebelwirkung. Der enttäuschende
Zuschaueraufmarsch im Viertelfinale gegen Russland und die sensationell
grossartige Hockeyparty vor ausverkauft freudigem Tollhaus mit
Zuschauereuroparekord für eine U18-WM im Halbfinal gegen Finnland sind beste
Beispiele hierfür. An dieser Stelle sei erwähnt, dass wir auch auf den
„Nebenschauplätzen“ wie z.B. Marketing, Knowhow-Austausch, Erfolgsforschung,
Medienarbeit nichts unversucht lassen dürfen, unseren genialen Sport in der
öffentlichen Wahrnehmung noch erfolgreicher zu präsentieren. Wichtig dabei: Die
Clubbrillen ablegen, transparenter und offener werden beim Knowhowtransfer auf
allen Ebenen. Auch als Clubverantwortliche müssen wir uns vor Augen halten,
dass nicht die ZSC Lions, der SC Bern oder die Langnau Tigers unsere
Konkurrenten sind. Aus der Vogelperspektive sind dies Fussball, Kino, Theater
und andere Freizeitveranstaltungen; nicht der nächste Derbygegner! Ebenfalls
aus der Vogelperspektive müssen wir begreifen, dass alle Elemente im Eishockey
zum Gesamtpuzzle dazugehören (Präsidenten, CEOs, Sportchefs, Spieler, Coaches,
Referees, Betreuer, Medienschaffende, Agenten, Scouts bis hin zu den
Zamboni-Fahrern). „We are all part oft he same show!”
Die Show des „good old hockey-game“! Innovationen sind gefragt, Experimente, unkonventionelle Ideen sollen
auf dem Eis aber auch im gesamten Unterhaltungskonzept Platz haben bei
gleichzeitiger Pflege der hockeyeigenen Traditionen die vielleicht auch mal mit
einem Augenzwinkern hochgehalten werden dürfen. Ich bin ein Befürworter von
„Try and Error“: Testen, analysieren und bei Erfolg dynamisch umsetzen und
„finetunen“. Ich meine, wir haben betreffend Attraktivitätssteigerung bei einem
Hockeyspiel im Stadion und bei TV-Uebertragungen noch einiges Potenzial. Wir
müssen aber unsere Herzen (Vereinsbrille) und unsere Köpfe öffnen. In
wohlwollender Zusammenarbeit mit den Medienschaffenden ist in dieser Beziehung
noch einiges zu erreichen, davon bin ich überzeugt! Zuletzt aber noch einmal:
Am wichtigsten für die Vermarktung unseres Eishockey ist der sportliche Erfolg
und diesen konnte unsere U18-Auswahl aktuell verbuchen. Herzliche Gratulation
auch an dieser Stelle an das gesamte Team und den Staff!
Der
zweite Grund: Die Wahl der Spielorte. Aus Sicht von Schweiz Tourismus war es
ganz bestimmt weise, diese WM an Zug/Luzern zu vergeben. Den ca. 1’000
Besuchern aus dem Ausland – vor allem Spielereltern und Scouts – wurde die
Postkartenschweiz präsentiert. Ein sehr wichtiger Grund: Das Wetter hat
mitgespielt, so dass unsere pitoresken Berg- und Seen-Landschaften perfekt zur
Geltung gekommen sind. Ich habe sehr viele Stimmen aus Scoutingkreisen gehört
die sich – mit Ausnahme des Preisniveaus... - in die Schweiz verliebt haben.
Aus Scoutingsicht war ebenfalls hervorragend, dass die beiden Spielorte nahe
beieinander lagen und die Spielzeiten gestaffelt angesetzt wurden. So war es
für uns Scouts möglich, manchmal je ein oder zwei Spieldrittel von insgesamt vier
Spielen pro Tag zu besuchen. Grossartig auch die Gastfreundschaft für die
Scouts. Nach anfänglich latentem Murren über die hohen Akkreditierungskosten
ist die Stimmung schnell gekippt. Hilfsbereite und immer freundliche
OK-Menschen und Volunteers haben hierzu beigetragen wie auch die exzellente und
nicht erwartete kulinarische Verpflegung für uns Scouts; das war grosses Kino,
herzlichen Dank für all dies an alle Beteiligten!
Drittens:
Der sportliche Spiegel der uns in der Schweiz vorgehalten wurde.
Weil die WM in
der Schweiz stattgefunden hat, habe ich für einmal sehr viele CH-Repräsentanten
(Entscheidungsträger, Trainer, Agenten) an den Spielen eines internationalen
U18-Turniers gesehen. Diesen wurde eindrücklich vor Augen gehalten, in welcher Kategorie unsere
Nachwuchsarbeit anzusiedeln ist. Das diesbezügliche Fazit: Trotz des weit
überdurchschnittlich guten Jahrgangs 97 waren die Unterschiede zur Weltspitze
sehr gut sichtbar. Unsere Jungs haben durch Leidenschaft und Teamspirit
begeistert, gespickt mit „Flashes of Brilliance“ von Einzelspielern. Schwächen
gibt es im Weltklassevergleich zu Hauf. Nehmen wir zuerst das Beispiel der
Finnen. Eindrücklich deren Schussqualität, diesbezüglich war ein Klassenunterschied
zu erkennen. In den Gruppenspielen haben wir zum gefühlten tausendsten Mal die
mangelnde Chancenauswertung beklagt. Meine pointierte Meinung hierzu: Chancenauswertung
ist nur zu einem kleineren Teil Kopfsache, eine gute Chancenauswertung hat vor allem mit
individueller Klasse zu tun: Scheibenannahme, Puckmanagement, unter Zeitdruck
zu „Dekes and Moves“ ansetzen können, Schusstechnik, nicht aus der Balance
geraten wenn man gecheckt wird. In diesen Bereichen müssen wir bei der
Ausbildung noch mehr Akzente setzen. Ich bin sicher, dass unsere Techniker dies
erkannt haben, dies muss erkannt worden sein! Extrem eindrücklich die
Performance der US-Amerikaner. Die Resultate ihres NDTP-Programms sprechen
Bände. Wussten Sie, dass die US-Amerikaner auf 4 potenzielle 2015er Erstrundenpicks
(Hanifin, Werensky, Boeser, Novak) bei der Nomination für diese WM verzichtet
haben? Dies macht ihre Performance noch eindrücklicher. Es zeigt, was mit einem
solchen Programm mittelfristig möglich ist. In diesem Blog habe ich ein solches
Programm bereits wiederholt propagiert. Eine „Light-Version“ davon ist mit dem
Projekt in Winterthur leider vorerst nicht realisiert worden. Jammerschade!
Wenn ich die Resultate unserer Jahrgänge 98 und 99 in internationalen Turnieren
betrachte dann macht mir dies Sorge, wir haben definitiv Handlungsbedarf. Die
98er wurden von Tschechien klar dominiert, die 99er an einem Turnier gegen
Oesterreich, Norwegen, Deutschland, Dänemark und Italien nur mit dem 5. und
damit zweitletzten Platz... All dies sind Augenöffner, vor allem aber die
U18-WM in Zug. Die Euphorie, die Begeisterung und das sehr gute Resultat müssen
wir gepaart mit den offensichtlichen Schwachstellen dazu nutzen, unsere
Juniorenausbildung weiter zu verbessern. Falls hierzu zusätzliche Gelder
generiert werden müssen war der Zeitpunkt vielleicht noch nie so günstig wie
jetzt. Auf geht’s!
Darum: Ich erachte diese Augenöffner als Erfolg, denn vor
allem wenn Defizite erkennt werden ist man lernbereit. Wenn wir nur das nackte
Resultat vor Augen hätten – z.B. bei einem gleichlautenden Resultat an einer
U18-WM im fernen Sibiren – dann läuft man Gefahr, alles mit der Rosabrille zu
beurteilen.
Zu den
Draftchancen der Schweizer: Timo Meier, Jonas Siegenthaler, Denis Malgin, evtl.
Joren Van Pottelberghe, evtl. Calvin Thürkauf plus die eine oder andere Ueberraschung
die es immer mal wieder gibt. Das sind unsere Draftkandidaten. Es gibt Teams
die Timo Meier in den Top10 gelistet haben. Dieser Powerforward wird vor allem
von nordamerikanischen Kollegen sehr hoch gehandelt. Jonas Siegenthaler hat einerseits
an dieser WM das gezeigt, was man von ihm wusste: Mobilität gepaart mit Kraft,
Athletik und „cooler“ Gelassenheit. Gezeigt hat er auch, dass er Defizite im
Bereich „Hand-Skills“ und Schusstechnik aufweist. Dies war aufgrund seiner sehr
konservativen Spielweise bei den ZSC-Lions nie ganz klar. Etwas irritierend
waren seine gelegentlichen Unkonzentriertheiten. Denis Malgin hat sein Ranking
an dieser WM tendenziell verbessert. Trotz seiner geringen Körpergrösse ist er
ganz einfach zu gut, um nicht als NHL-Prospect zu gelten. Seine Draftchancen ebenfalls
verbessert hat der Zuger Kraftwürfel, Calvin Thürkauf. Seine nordamerikanische
Spielweise hat guten Anklang gefunden. Auch Goalie Joren Van Pottelberghe hat
kleine Draftchancen. Schade, dass Dominik Diem und Roger Karrer bereits früh
verletzungsbedingt ausgeschieden sind. Beide sind gut ins Turnier gestartet. Von
den „Underagern“ hat mir Livio Stadler sehr gut gefallen. Er erinnerte mich in
einigen Szenen ein wenig an Mark Streit. Für’s ungeübte Auge vielleicht eher
unauffällig die „Performance“ des jüngsten Spielers an dieser WM, Nico
Hischier. Man hat gesehen, dass er zwei Jahre jünger ist als die meisten
anderen Spieler an dieser WM, er hat sich oft auf dem Hosenboden wieder
gefunden. Aber: Grossartig sein Spielverständnis, die Spielintelligenz ist
bereits auf einem extrem hohen Niveau und dies mit und ohne Scheibe; selten
gesehen so was bei einem derart jungen Spieler. Zudem: Nico Hischier spielt
Pässe die nur er spielen kann.
Thomas
Roost, 26. April 2015
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