Saturday, January 10, 2015

Talente und Talentschmieden - Talents and Talent-Factories

Mit grosser Bewunderung nehme ich von der Weltklasse-Trainingsinfrastruktur z.B. beim schwedischen Team HV71 Kenntnis. Auf schweizerische Verhältnisse übertragen gilt dies z.B. für die ZSC-Lions. HV71 ist ein Vorzeigeclub in Schweden, die ZSC-Lions sind es in der Schweiz und aus beiden „Küchen“ reifen immer wieder Eishockeytalente heran die später sehr gute Profis werden. Sind solche Adressen der Nährboden für gute Eishockeyprofis und gilt es darum für andere Clubs, diese Modelle zu kopieren?

Nur bedingt. Als Vorbemerkung aber dies: Ich habe grössten Respekt vor den Geldgebern und Projektrealisatoren der erwähnten Vorzeigeausbildungsstätte in Jönköping und der ebenso erfolgreichen wie aufwändigen ZSC-Lions-Pyramide. Ich will aber in der Folge aufzeigen, dass auch mit weniger Mitteln Brutstätten für Weltklasseperformer geschaffen werden können.

Eishockeynachwuchs aus Uzwil

Zum besseren Verständnis will ich etwas weiter ausholen. Wenn man die heutigen Juniorennationalkader betrachtet dann fällt auf, dass die Spieler meistens in Grossclubs „zu Hause“ sind. Der Verdacht liegt darum für die Eltern von talentierten Jungs nahe, dass man vor allem über den Weg zu Grossclubs ein erfolgreicher Hockeyspieler wird. Dies ist ein Trugschluss. Es ist ja nur in wenigen Fällen so, dass Juniorennationalspieler seit klein auf in den Grossclubs ausgebildet werden. In der Regel läuft es so ab, dass die besten 13- und 14-Jährigen des Landes proaktiv bei den Grossclubs anklopfen, um dort ihre Karriere fortsetzen zu können. Den umgekehrten Weg gibt es ebenfalls, die Grossclubs bemühen sich teilweise bereits um die besten 13- und 14-jährigen Schweizer Talente. D.h. wenn sie zu den Grossclubs wechseln sind sie bereits herausragend in ihrem Jahrgang, sie sind bereits die Besten in ihrer Altersstufe. Wenn sie dann z.B. vier Jahre später zu den Top-U18-Auswahlspielern gehören  dann ist dies nur bedingt der Verdienst der Ausbildung in den Grossclubs sondern vielmehr gebührt es einer gewissen Logik, dass die damals besten 14-Jährigen heute noch immer mehr oder weniger zu den besten Talenten des Jahrgangs gehören. Ein beachtlicher Teil der Ausbildungsverdienste gebührt den vielen leidenschaftlichen aber zu oft namenlosen Ausbildnern aus den kleineren oder sogar Regionalclubs wie z.B. Winterthur (Mirco Müller), Burgdorf (Gebrüder Berger), Chur (Niederreiter), Uzwil (Fiala), Visp (Gebrüder Hischier), Langenthal (Bärtschi), Biel (Ehlers, Malgin), Wallisellen/Dübendorf (Karrer). Diese Aufzählung erhebt nicht den Anspruch auf Vollständigkeit und es gibt selbstverständlich auch das eine oder andere Beispiel von Spielern die tatsächlich die gesamte Ausbildung im Grossclub genossen haben (z.B. Roman Josi beim SCB). Der langen Worte kurzer Sinn: Die Notwendigkeit für ein junges Eishockeytalent bereits sehr früh zu einem Grossclub zu wechseln wird überschätzt. Nicht selten ist es so, dass Top-Spieler in einem kleineren Club sehr viel mehr Eiszeit und Verantwortung übertragen erhalten als wenn sie als Mitläufer zu einem Grossclub wechseln. Die erstere Variante (viel Eiszeit und viel Verantwortung) ist für die Talentförderung vorteilhafter. Ein pragmatischer Ansatz ist es vielleicht, sehr junge Talente bereits bei Clubs mit hoher Trainingsquantität mittrainieren zu lassen, während dem sie weiterhin in ihrem Basis-Regio-Club mitspielen und eine Führungsrolle übernehmen.

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Die Notwendigkeit, bereits sehr früh in eine Organisation mit perfekter Infrastruktur zu wechseln wird ebenfalls überschätzt. Hierzu einige Anmerkungen aus der Talentförderungsforschung. Im Buch „Die Talentlüge“ von Daniel Coyle verweist er auf eine Untersuchung die zur Aufgabe hatte, bemerkenswerte Muster von disziplinunabhängigen Talentschmieden zu entdecken. Das interessante, vielleicht etwas unerwartete Resultat – und ich zitiere jetzt wörtlich aus dem Buch: „Es waren fast durchwegs unscheinbare bis unattraktive Orte. Würde man sämtliche der Trainings- und Unterrichtseinrichtungen dieser Talentschmieden zusammentragen, dann wäre das Resultat eine Barackensiedlung. Viele Gebäude sind improvisierte Wellblechhütten, die Farbe blättert ab, die Rasenflächen sind kahl und ungepflegt. Viele der Talentschmieden wirkten so heruntergekommen, dass es schon fast verdächtig vorkam wenn irgendwo eine gestutzte Hecke oder ein Gebäude aus der Nachkriegszeit entdeckt wurde. Es wirkte fast so, als bestünde ein direkter Zusammenhang zwischen dem Verfallsgrad der jeweiligen Schule und der Anzahl der Talente, die sie hervorbrachte.“ Ein klassisches Beispiel hierfür war das russische Frauentenniswunder im Jahr 2004 und folgende. Nicht weniger als 13 russische Frauen erschienen wie aus dem Nichts in den Top100 der Weltrangliste und fast alle durchliefen eine vordergründig unscheinbare Tennisschule in der Nähe von Moskau. Konklusion: Luxus wirkt auf die Motivation wie ein Betäubungsmittel, Talentschmieden sind in der Regel nicht luxuriös.

Russische Tennis-Academy

Ebenfalls überschätzt werden kreative und abwechslungsreiche Trainingsmethoden. Ich habe grossen Respekt vor Ausbildnern die mit viel Kreativität ihre Trainings vorbereiten. Ebenso bewundernswert ist eine schwedische Trainingsdokumentation mit 100 oder 1000 verschiedenen Eishockeyübungen. Randbemerkung: Es spielt in der Argumentation keine Rolle ob es 100 oder 1000 sind... Untersuchungen zeigen, dass die eher westlich orientierte Trainingslehre bei den so genannten Hardskills Mängel aufweist; es wird etwas zu viel Wert auf Spass gelegt und zu wenig mit Drills gearbeitet... und jetzt sind wir wieder beim Eishockey. Eishockeytechnische Hardskills sind hockeytechnische Basisübungen, Drills, wiederholbare Präzision wie ein Roboter. Hierfür benötigt man vermutlich maximal 20 verschiedene Uebungen welche die wichtigsten Bewegungsabläufe im Eishockey wiedergeben. Diese Uebungen gilt es zu wiederholen, endlos, und immer wieder... immer wieder. Bei der Ausführung gilt es exakt auf die Präzision und später auf die Präzision gepaart mit der Geschwindigkeit zu achten. Diese Uebungen sind für die meisten Spieler langweilig und monoton. Nicht aber für die Supertalente! Es ein sehr wichtiges Talent wenn man sich auch auf die langweiligsten Drills immer und immer wieder freut. Eher nicht talentfördernd sind Meinungen von Spielern die monotones Training der Hard-Skills als lästiges Uebel betrachten und die Spieltage als Höhepunkte avisieren. Diese Spieler werden vermutlich nie „high-end“ Fähigkeiten bei den Hard-Skills erreichen. Für Weltklassetalente ist trockenes Ueben der immer wieder gleichen Basisskills keine mühsame Pflicht, sondern Lust. Nicht das Spiel am Wochenende, nicht die Weltmeisterschaft ist die grosse Freude, es ist das Training! Kommen wir zu den Softskills, eine traditionelle Domäne der Nordamerikaner. Softskills im Eishockey sind das Erfassen und das Erkennen von Mustern und die richtige Reaktion darauf. Softskills entwickelt man durch Neugier, Experimentierfreude und auf der Suche nach neuen Herausforderungen. Softskills entwickelt man auch durch das Analysieren und Beobachten der Besten. Gute Künstler leihen aus, grosse Künstler kopieren, klauen. Das Klauen von spezifischen Details von Spielern wie Gretzky oder Crosby ist ein wesentliches Element bei der Entwicklung der Soft-Skills. Dabei muss man bereit sein, sich zu blamieren. Man muss am Anfang bereit sein, produktive Fehler zu machen, Risiken einzugehen und beim Kopieren der Besten 20’000 Mal (in Worten zwanzigtausend) auf den A.... zu fallen. Frustrationstoleranz ist ein Zauberwort bei grossen Talenten. Widerstände überwinden, sich durch Rückschläge nicht unterkriegen zu lassen. Grosse Talente können nie genug davon bekommen, Eishockeyspiele anzuschauen, zu analysieren, zu kopieren, zu lernen. Grosse Eishockeytalente sind ständig auf der Suche nach neuen Herausforderungen.

Vorzeigeinfrastruktur bei HV71 Jönköping

Ich fasse zusammen:
Nicht luxuriöse Trainingszentren und Grossclubs sind der typische Nährboden für die Talententwicklung. Die Bereitschaft, die Hardskills mittels Basis-Drills immer und immer wieder zu verinnerlichen sowie die Lust, die Freude, die Leidenschaft, Eishockeygrössen zu analysieren, zu studieren, zu kopieren; das sind optimale Voraussetzungen für die Talententwicklung. Selbstverständlich gehören qualifizierte Ausbildner mit zum grossen Erfolgspuzzle. Diese finden sich aber nicht nur bei den Grossclubs. Zudem: Ausbildungsprogrammen bei denen den Talenten möglichst alles auf dem Silbertablett serviert wird ist mit grosser Skepsis zu begegnen. Noch einmal: Luxus wirkt auf die Talentförderung wie ein Betäubungsmittel!


Horgen, 10. Januar 2015

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